Holarse testet Victory At Sea Pacific - Strategie zur See im zweiten Weltkrieg

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Victory At Sea Pacific versetzt den Spieler als Kriegsherr in den Pazifik im zweiten Weltkrieg. Es ist am 12.09.2018 für Linux auf Steam erscheinen. Der Vorgänger Victory At Sea war ebenfalls schon für Linux herausgebracht worden. Evil Twin Artworks hat uns zum Release damals bereits eine Version für Steam zum Testen überlassen. Da wir noch die Patches abwarten und sehen wollten, wie es sich entwickelt, erscheint das Review erst jetzt.

Es ist vollständig auf Deutsch übersetzt, die Tutorialvideos sind jedoch nur in englischer Sprache verfügbar.

Über das Spiel

Die Kontrolle des Spielers erstreckt sich von der taktischen Ebene und der Planung von Convoys und Flottenverbänden, bis hin zur Steuerung einzelner Schiffe, Flugzeuge und Landungstruppen in Echtzeitstrategie-Manier. Dabei überwiegt der taktische Anteil jedoch deutlich.

Gespielt werden kann in der Kartenübersicht oder aber auch in den Seeschlachten in 3D.

In den Kämpfen kommt die Action mit ansehnlichen Explosionen zur Geltung. Auch sind die Schiffe und Flugzeuge sehr originalgetreu genachgebaut. In den Seehäfen der Inseln können neue Schiffe in Auftrag gegeben werden, Stützpunkte um strategische Punkte erweitert werden und die Schiffsverbände aufgetankt und aufmunitoniert werden.

Das Spiel erhebt einen hohen Anspruch auf Realismus, die Steuerung ist beinahe in Echtzeit und kann um das Vielfache beschleunigt werden. Schiffe sind träge und benötigen Zeit zum Wenden und Manövrieren. Die Flugzeuge müssen passend ausgewählt werden, ein Bomber kann ohne Aufklärung keinen Schaden anrichten und gegen Unterseeboote müssen besonders ausgestattete Flugzeuge ins Feld geführt werden.

Victory At Sea Pacific möchte seinen Vorgänger aus dem Bereich der historisch angelehnten See-Action-Strategie überholen und setzt sich sehr ambitonierte Ziele. Die Simulation eines historisch akuratem Seekrieg ist Victory At Sea Pacific nicht nur inhaltlich gelungen, für ein Strategiespiel ist die Grafik wirklich sehr gelungen! Die Inseln und die pazifische See mit ihren Wellengängen sehen fantatisch aus. Der Tag- und Nachtwechsel und die Spiegelungen tragen ihr übriges dazu bei. In den Kämpfen blickt man auf detailgetreue und unterschiedliche passende Schiffstypen wie Kanonenboote, Zerstörer, Flugzeugträge und Aufklärer mit Flugseebooten. Die Währung des Spiels sind Kriegsanleihen, wie sie in den USA während des zweiten Weltkriegs tatsächlich notwendig waren, um die militärischen Ausgaben teilzufinanzieren.

Neben dem Pazifikszenario auf amerikanischer Seite, kann auch die japanische Sichtweise gespielt werden. Als dritte Option kann auch eine britische Kampagne im Atlantik gespielt werden.

Einschätzung nach zwei Jahren

Wir hatten die Möglichkeit das Spiel kurz vor dem Release 2018 in Augenschein zu nehmen. Damals gab es noch ein Problem mit der Wasserdarstellung unter Linux, bei der der Wellengang fehlte und so entweder zu einem unnatürlich Aussehen geführt hat, oder gleich das ganze Wasser schwarz gerendert worden ist. Unsere Hinweise wurden zum Glück entgegen genommen, später auf Nachfrage wurden Fixes in der Linux-Version jedoch auf weit nach Hinten verschoben, da aktuell zu unwichtig.

Zwei Jahre später ist glücklichweise von diesem Problem nichts mehr festzustellen. Leider bleiben trotzdem noch spielerische und steuerungsrelevante Probleme offen. Manchmal funktionieren Buttons nicht, womit man dann in Schlachten nicht eingreifen kann. Es scheint so, als hätten die Entwickler ursprünglich geplant einen nahtlosen Wechsel zwischen der taktischen 2D-Karte und der 3D-Schlachtansicht einzubauen. Tritt ein wichtiges Ereignis ein, kann man jetzt in die Schlacht wechseln. Das geht über einen Knopfdruck, der jedoch einen Ladebalken nach sich zieht. Der Rückweg ist etwas umständlich und auch nicht ausgeschildert. Über die taktische Übersichtskarte rechts in der Ecke gelangt man wieder sofort zurück in die 2D-Karte. Hat man diesen Tanz einmal durch, bleibt das Gefühl von Verwirrung, da nichts davon irgendwie geplant gewirkt hat.

Ist man dann in der 3D-Schlachtansicht angekommen, dann landet man zunächst auch erstmal in einer taktischen Übersicht, ganz ähnlich wie beim Vorgänger. Hier weiß man jedoch nicht wirklich genau, mit welchen Schiffsstärken man es zu tun hat, sehr hilfreich ist das Spiel in dieser Phase daher nicht. Hat man die Planungen abgeschlossen, begibt man sich in die (schick aussehende) visuelle 3D-Ansicht seiner Schiffe auf dem Meer. Und sogleich wundert man sich, wo der eben erwähnte Feind abgeblieben ist. Tatsächlich muss man bestimmt 30s (!) scrollen, um den Feind zu sehen. Wie man dort ordentlich hinnavigieren soll, und wieso man das überhaupt muss, ist mir ein Rätsel. Damit man bis zur Ankunft der Schiffe beim Feind nicht schon vorher an Langeweile gestorben ist, sollte man sich der Beschleunigungsfunktion bedienen, die man auch bis zum Anschlag aufdrehen muss.

Die Ansicht selbst wirkt entweder sehr weit weg und die Schiffe winzig, oder man ist zu nah dran, was nicht praktisch nutzbar ist. In keinem Zoom-Modus hab ich ein Gefühl dafür bekommen, gerade riesige Seeschiffe zu befehligen.

Im Kampf selbst geht es dann viel mit Aufklärung und taktischem Kalkül zu Gange. Zum einen muss man jedoch seine Schiffe selbst befehligen, sonst machen sie nichts. Andererseits schießen die Zerstörer auch schon mal ganz automatisch auf die Feinde, leider befindet man sich dann oft auch in der Nähe und bekommt eine eigene Salve voll auf die Breitseite. Was soll es nun sein? Computersteuerung oder Mensch? Und wenn, dann bitte einstellbar!

In der kurzen Kampfsequenz bekommt man leider auch kein visuelles Feedback welches seiner Schiffe man ausgewählt hat, trifft man auch nicht genau ist möglicherweise auch das dahinterliegende Schiff angewählt, was man erst merkt, wenn man einen Bewegungs- oder Angriffsbefehl erteilt und dieser ganz andere Auswirkungen hat, als geplant. Angriffsbefehle, die auf textuelle Beschreibungen des Feindes landen, resultieren im Übrigen damit, dass der Befehl garnicht erst angenommen wird und der Cursor sich zurück auf Auswahl stellt. In einem brenzligem Moment in dem man mit seinem Schiff das feindliche U-Boot überfährt und mit Wasserbomben ausschalten möchte, geht diese Möglichkeit damit schonmal gerne daneben. Was in Anbetracht dessen, dass der Gegenangriff des U-Boots natürlich sogleich erfolgt, besonders ärgerlich ist.

Nach dem Kampf sollte die Flotte aufgetankt und aufmunitioniert werden. Reparaturen wären sicher auch gut gewesen, eines meiner Schiffe hatte tatsächlich Schaden genommen, es hat zumindest einen Treffer sichtbar abbekommen. Die Option den Flottenverband auf einen Hafen in Reparatur zu schicken, gab es zwar, war jedoch ausgegraut. Warum? Hier hätte das Spiel mir doch vielleicht einen Hinweis geben können, so bleibt nur Raterei.

Leider gibt es viele solcher Punkte in Victory At Sea Pacific. Der Vorgänger macht deutlich mehr Spass, bringt jedoch aber auch nicht soviel Realismus und steuerbare Flugzeuge mit. Die Umsetzung ist leider nicht ausreichend. Die Funktionstüchtigkeit des Linux-Ports ist allerdings ordentlich und einwandfrei.

Victory At Sea Pacific hätte ein perfektes Strategiespiel werden können. Allerdings hat es sich in meinen Augen viel zu viel vorgenommen und leider nur wenig davon umgesetzt, um auch als Spiel und nicht nur als Taktikplaner noch genügend Spaß zu machen. Viele Details sind auch nach zwei Jahren Patch-Entwicklung (letzter Patch zur Zeit des Reviews im Februar 2020) immernoch mangelhaft oder ärgerlich umgesetzt.

Kaufen

Victory At Sea Pacific kann auf Steam für Linux und im Humble Store als Steam-Key erworben werden. Es ist allerdings auch drm-frei für Linux auf GOG erhältlich.

Fazit

Wer realistische Strategiespiele mag, sollte sich Victory At Sea Pacific in einem Sale mal ansehen. Wer zudem noch über die Steuerungsprobleme hinwegsehen kann und sich in das Spiel hineinfuchst, wird sicher mit einem tiefgehenden Spielerlebnis belohnt werden.

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