Der erste Laptop (auf derselben Clevo-Basis bietet System76 in den USA den Serval WS an) mit vom Hersteller garantierter vollständiger Linux-Unterstützung auf Basis von AMD Ryzen statt Intel. Endlich kann man massig Threads ohne Intel-Mitigation-Bremse und Gaming-Power im portablen Format nutzen. Da in diesem Gerät ausschliesslich eine dedizierte NVIDIA-Grafikkarte verbaut ist, fällt damit eine stromsparende integrierte Grafikkartenlösung weg. Wie kommt das Gerät im Alltag daher? Und liefert es die Leistung, die wir erwarten?
Der erstmalige Einsatz von AMD-Prozessoren im Laptop und besonders der Blick auf die Gaming-Tauglichkeit mit der verbauten Desktop-CPU ist worauf wir in diesem Review genauer blicken wollen. Danke an Tuxedo Computers, die uns geduldig das Gerät für so viele Wochen ausgeliehen haben.
Ausstattung und Ausbau
Wir haben uns von Tuxedo ein typisches alltagstaugliches Gerät zusammenstellen lassen. Dabei herausgekommen ist ein Tuxedo Laptop mit folgenden Werten:
Full HD (1920x1080) 15,6‘‘ IPS-Panel 144Hz matt, AMD Ryzen 5 3600 (6 Kerne, 12 Threads), NVIDIA GeForce RTX 2060 Refresh 6GB, 32GB 3200MHz RAM und 1 TB Samsung 860 EVO-M.2-Festplatte.
Die Komponenten können im Online-Konfigurator durch andere Bauteile ausgewechselt werden. Der RAM ist beispielsweise in diesem Gerät ausbaufähig bis 64GB. Es können zwei weitere Festplatten (eine weitere M.2 SSD und eine SATAIII) eingebaut werden. Die Grafikkarte kann gegen eine größere RTX 2070 gewechselt werden. Der in unserer Konfiguration verwendete Prozessor ist der aktuell kleinste auswählbare. Er kann gegen den 3600X, 3700X (8 Kerne), 3900 und 3900X (12 Kerne) und gegen den 3950X (16 Kerne) ausgetauscht werden.
Gesamtpreis unserer Ausbauvariante liegt im hauseigenen Shop bei €1658,24. Geliefert werden kann mit Ubuntu, TuxedoOS (Ubuntu-Variante mit Bugie) und neuerdings auch wieder openSUSE Leap 15.2 (zu Beginn des Tests war nur 15.1 verfügbar).
Anschlüsse und Hardware
Links:
- Kensington Lock
- Ethernet (Gigabit, Realtek RTL8168/8111)
- 2x USB 3
- MicroSD-Kartenslot
Rechts:
- Klinkenbuchsen für Kopfhörer und Mikrophon.
- 1x USB 2
- Lüfterausgang
Hinten:
- HDMI 2.0
- DisplayPort 1.4 über USB-C
- Mini-DisplayPort 1.4
- 2x Lüfter-Ausgänge
- Stromanschluss
Vorne keine Anschlüsse, nur die Status-LEDs.
Das Gerät liefert einen eigenen TPM-Chip mit. Damit lassen sich im Gerät Schlüssel ablegen, die in der Firmware hinterlegt sind und sich somit durch Software nicht ändern lassen. Das eignet sich gut für Verschlüsselungen.
Der Fingerabdrucksensor im Touchpad ist leider nur unter Windows nutzbar. Da dieses Feature kein sonderliches Manko darstellt, belassen wir es bei „vollständiger Linux-Unterstützung“, auch wenn es technisch so natürlich nicht ganz korrekt ist. Allerdings werden selbstverständlich alle anderen verbauten Komponenten vollständig unterstützt. Auf Nachfrage bei Tuxedo teilten uns diese mit, dass es hier einfach noch keine Treiber gibt und der Aufwand für Tuxedo den Treiber per „Reverse Engineering“ herzustellen stünde nicht im Verhältnis zu den Anfragen und dem Interesse der Linux-Nutzerschaft an dieser Funktion.
Das 15,6 Zoll IPS-Panel 144 Mhz ist gut ausgeleuchtet und bietet ein gleichmäßiges Bild. Der Deckel des Geräts ist leicht klapptbar und nimmt beim Hochziehen nicht das gesamte Gerät mit.
Oben am Deckelrand befindet sich die Kamera. Die Tastatur ist vollständig und enthält zusätzlich noch ein etwas verkleinertem Numpad. Es ist in mehreren Farben beleuchtbar, die über eine dedizierte Fn-Taste umgeschaltet werden können. Hier könnte das Tuxedo Control Center ja noch etwas cooles liefern.
WLAN (802.11 ac/a/b/g/n/ax) ist integriert, genauso wie Bluetooth (5.1).
Die Funktions-Tasten sind von Haus aus so konfiguriert, dass sie die F-Tasten abbilden. Mit der Zusatztaste Fn schaltet man die Gerätefunktionen ein. So ist F5 erst einmal ganz normal F5, mit Fn+F5 kann man die Lautstärke reduzieren. Meine bisherigen Laptops (HP, Dell) haben die Laptop-Sonderfunktionen immer in den Vordergrund gestellt. Um die Browser-Webseite neu zu laden, musste hier also Fn+F5 gedrückt werden. Da ich die normalen Funktionstasten für die Bedienung innerhalb der Programme benutze, finde ich die Reihenfolge der Nutzung deutlich angenehmer.
WebFAI
Mit WebFAI bietet Tuxedo die einfache Installation und das Zurücksetzen der Laptops auf den Auslieferungszustand an. Damit ist man nicht mehr auf das mitgelieferte Installationsmedium angewiesen. Tuxedo liefert bei jedem Laptop standardmäßig einen USB-Stick mit vorinstalliertem WebFAI mit. Wer möchte kann damit von der Vorauswahl beim Kauf auf eine andere Distribution ausweichen.
Beim Starten des Laptops kommt man mit F2 in das UEFI-“Bios“ und kann von dort aus das Bootmenü erreichen und den eingesteckten WebFAI-Stick von Tuxedo (jeder beliebige USB-Stick geht natürlich auch) auswählen und verwenden. WebFAI benötigt eine Internetverbindung und prüft zunächst ob es selbst aktuell ist. Sonst muss der Stick ggf. von Hand erneuert werden.
Installiert über WebFAI wurden: openSUSE Leap 15.1 sowie später 15.2. Ubuntu 20.04 LTS und TuxedoOS 20.04. Die Installationen liefen alle problemlos ab und das Gerät war nach etwa einer halben bis dreiviertel Stunde wieder vollständig im Auslieferungszustand.
Tägliche Anwendung
Durch das Tuxedo Control Center kann die Leistung individuell und sehr fein granuliert eingestellt werden. Die Zuordnung der Profile zu Stromanschluss-Modus und Akkubetrieb ist etwas gewöhnungsbedürftig. Zwar wird das genutzte Profil an der linken Seite dargestellt, aber ein Blickfang ist es nicht gerade. Oftmals habe ich mich etwas verloren gefühlt.
Im Tray hab ich es vermisst das aktuell benutzte Profil direkt sehen zu können, ohne ins Programm hineingehen zu müssen. Hier wäre auch ein kleines Menü nett, in dem man die aktiven Profile einfach direkt anwählen könnte.
Wahrscheinlich schon bekannt: Nach jeder Speicher- oder Änderungsaktion muss man das Root-Passwort eingeben. Das ist anfangs irritierend und später nur noch nervig. Hier bitte einige Sekunden oder sessionweise den Authentifizierungstoken von Polkit merken.
Die Anpassbarkeit der Profile, die Fähigkeit selbst Profile anlegen zu können, spielt mir genau in die Linux-Karte, die von Offenheit und Anpassbarkeit lebt, hinein.
Linux ist Anpassbarkeit, das TCC, trotz seiner leichten Schwierigkeiten, geht genau den Unix-Weg. Es hat einen Job und den erledigt es gut und zielgerichtet.
Vielleicht kann sich Tuxedo zu den genannten Schwierigkeiten ja noch etwas überlegen. Hier kann übrigens auch ein jeder mitmachen. Das Tuxedo Control Center steht unter der GPLv3 und ist damit freie Software. Interessierte finden den Quellcode auf Github.
Während des täglichen Arbeitens war der Lüfter fast nie an, und wenn dann auch nur im unteren Bereich.
Stellt man das Gerät auf „Performance“, so wird der Lüfter unter Beanspruchung der Grafikkarte schon recht deutlich hörbar, sobald man z.B. ein Spiel startet. Hier muss der Benutzer einen Mittelweg finden und beim Zocken am besten Kopfhörer aufsetzen.
Die Leistung einer Geforce RTX 2060 Refreshed mit 6GB erzeugt nun einmal eine Menge Abwärme. Diese muss abgeführt werden, dafür ist das Gerät immer noch erträglich. Für längere Spielesessions habe ich mir ohnehin mein Headset aufgesetzt. Dann waren die Lüftergeräusche auch nicht mehr wahrnehmbar. Die Wärme wird nach hinten und rechts hinten abgeführt, dadurch sitzt man nicht direkt im warmen Luftstrom. Durch die Wärmeabfuhr heizt sich das Gerät auch im Tastaturbereich nicht so stark auf, dass es irgendwann unangenehm wird. An der Handballenablage stieg die Temperatur nicht merklich an, so dass man die gesamte Zeit über bequem zocken konnte.
Zum Testen der Wärmeentwicklung über einen längeren Zeitraum haben wir Total War: WARHAMMER II, Total War: THREE KINGDOMS, sowie 7 Days To Die, Transport Fever 2, via SteamPlay/Proton den Landwirtschaftssimulator 19, No Man's Sky und Command and Conquer: Remastered gespielt.
Dass im Gerät Desktop-Hardware verbaut ist, die Bauweise nicht gerade durch Schlankheit hervorsticht, werten wir nicht negativ. Es ist als Desktop-Ersatz gedacht. Es ist portable und kann eben vom Bürotisch ins Wohnzimmer umziehen – und es bietet die Leistung eines Desktop-Systems.
Daher starten wir es morgens auch frisch vom ausgeschalteten Zustand ein. Gerade mal 26 Sekunden dauert es vom Drücken des Stromschalters zum KDE-Login-Screen. Der Grub-Bootmanager hat dabei auch noch 2-3 Sekunden Wartezeit eingebaut, die es zu berücksichtigen gilt. Nach dem Login befinden wir uns nach 3 Sekunden im KDE-Plasma-Fenster und können loslegen.
Die verbaute m.2-SSD erspart uns das übliche Festplattengeratter. Die Zeiten, in denen in Laptops lahme 5400 RPM-Festplatten verbaut sind und die Geräte gebremst haben, sind zum Glück vorbei.
Fazit
Lange war es nicht möglich einen AMD-Ryzen basierten Laptop mit vom Hersteller garantierter Linux-Tauglichkeit zu bekommen (ein früheres AMD-basiertes Gerät war z.B. das HP ProBook 455 G4). Tuxedo hat mit der neuen Ryzen-Serie hier ein sehr taugliches Gerät ins Rennen geschickt. Dank der verbauten Desktop-Hardware bekommt man viele Kerne zum Arbeiten und Spielen, die nicht durch zahlreiche Mitigations und Sicherheitsmechanismen außer Kraft gesetzt werden müssen. Mit der kraftvolle Grafikkarte fürs Gaming steht auch diesem Vergnügen unter Linux nichts entgegen.
Die Philosophie von Tuxedo einen Laptop anzubieten, der ohne Bloatware daherkommt, ohne irgendwelche Registrierungen benutzbar ist, und zudem vollständig von einem freien Betriebssystem unterstützt wird, dass von eigenen (freien) Entwicklungen noch aufgewertet wird, macht es zudem überaus sympathisch. Aktuell arbeitet Tuxedo an der Coreboot-Unterstützung, um auch ein freies UEFI-BIOS anbieten zu können.
Die Ergänzungen durch das eigens gepflegte TuxedoOS und das Tuxedo Control Center und die WebFAI-Unterstützen ermöglichen es auch nicht technisch versierten Menschen Linux zu verwenden, wenn man sich nicht näher mit dem Betriebssystem beschäftigen möchte, aber trotzdem Wert auf ein freies Betriebssystem legt und seine Hardware nicht nur pro Forma sein eigen nennen will.
Zumal kann man mit openSUSE und Ubuntu noch weitere unterstützte Alternativen wählen. Die Tuxedo Mitarbeiter selbst probieren gerne auch andere Distributionen aus, die Unterstützung der Hardware endet also nicht automatisch an der Support-Grenze, wenn man sich selbst etwas zutrauen möchte. Tuxedo stellt hierzu auf http://www.tuxedo.sh/ ein Anpassungsscript bereit, dass man ausführen kann.
Wer viel Rechen- und Grafikpower benötigt, bekommt im XA-Design eine kompakte Lösung, die mit dem Linux-Betriebssystem der Wahl ohne Einschränkungen daherkommt. Als Gaming-Laptop kann der XA daher durchaus in Frage kommen, wenn man sich darauf vorbereitet mit Lüftungssituation auf so engem Raum zurecht zu kommen. Desktop-Geräte haben da mehr Möglichkeiten, sind aber natürlich auch nicht so leicht zu transportieren.
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