Im Weltraum hört dich niemand Asteroiden farmen - Endless Sky im Holarse Review

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Nun, "Bis zur Unendlichkeit ... und noch viel weiter!" ist nicht nur der Slogan des imaginären Weltraumhelden eines Disney-Kinderfilms sondern grundsätzlich auch eine schöne Eindeutschung von "Endless Sky", einer 2D-Weltraum-Handel-Flug-Kampf-Simulation. Was oberflächlich einfach wirkt, wird in der Tiefe komplexer und, vor allem, immer detailreicher. Holarse schaut sich, lange überfällig, das quelloffene Kleinod genauer an damit ihr ohne großen eigenen Aufwand wisst, ob ihr damit zu entfernten Galaxien durchstarten wollt oder der Titel für euch gar nicht erst abhebt.

Über das Spiel

Bei Endless Sky handelt es sich um einen dieser Titel, welcher dem Spieler Möglichkeiten bietet sich in verschiedene Richtungen zu entwickeln. Im Vordergrund als plumpes Spielziel steht der schnöde Mammon. Heißt, Missionen annehmen, Aufträge erfüllen, bezahlt werden, das Geld in bessere Ausrüstung investieren, dadurch befähigt werden bessere Aufträge durchführen zu können, noch besser bezahlt werden und so weiter und so fort.
Wie häufig im Genre anzutreffen kann man den ehrlichen rechtschaffenen Weg einschlagen oder eine gefährlichere kriminelle Karriere anstreben. Auch die Nähe oder Ferne zu politischen Lagern im All beeinflusst den eigenen Werdegang.

Was jetzt genau?

Der Spieler schlüpft in die Rolle eines angehenden Weltraumkapitäns welcher drauf und dran ist sein erstes Raumschiff zu erstehen. Die eigenen Finanzmittel, natürlich auf Pump von der Bank akquiriert, reichen für einen der drei zu Beginn verfügbaren Schiffstypen. Vom Grunde her entscheidet man sich an dieser Stelle für den anfänglichen Schwerpunkt seiner Karriere und so besitzt man kurz darauf entweder einen Frachter, einen Personentransporter oder einen kleinen Jäger.
Damit der Spieler nicht vollends sich selbst überlassen wird garnieren eingestreute Ereignisse den Verlauf des Spiels. Das erste Ereignis darf als Tutorial und Einstieg gewertet werden, wenn ein erfahrener ehemaliger Raumschiffkapitän direkt nach dem Kauf des ersten Schiffes den Kontakt sucht und 2-3 Aufgaben für einen parat hat. Ein erfahrener Weltraumkapitän wäre kein guter eben solcher würde er sein Wissen nicht bereitwillig teilen. So erfährt man als Rookie erste Kniffe und Tricks.

Vorbereitet stattet man der Jobbörse einen ersten Besuch ab und kann, je nach gewähltem Schiff, dort bestimmte Missionstypen annehmen. Wer in Gänze sein eigener Boss sein möchte oder schlicht etwas dazuverdienen möchte, der erspäht einen Planeten mit günstigen Waren, um diese auf einer anderen Welt mit hohem Bedarf daran teuer zu verhökern.

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Um von Sternsystem zu Sternsystem zu gelangen muss das Schiff Sprünge absolvieren. Die Sternsysteme sind untereinander mit dafür nötigen Hyperjump-Strecken verbunden. Jeder Sprung kostet Energie und wenn diese aufgebraucht ist, dann muss man an die Tanke. Weil sich im Weltraum alle furchtbar lieb haben ist tanken auf den Stationen und Raumbasen übrigens, wie es scheint, kostenlos. Der Kurzweil halber streut das Schicksal selbst immer mal wieder zufällige Events in den Spielablauf ein. Häufig sind es geschichtsträchtige Nebenmissionen aber spätere Events können auch dafür sorgen, dass ein ganz normaler Paketlieferservice zum Auslöser interplanetarischer Spannungen wird oder eine harmlose Erkundungsmission es sich stellaren Widerstandskämpfern ermöglicht sich zu erheben.
Auf die eine oder andere Weise verändert sich das Universum um einen herum und man selbst ist mittendrin.

Gameplay

endless_sky_asteroiden_farmen_0.jpgDas Spiel findet relativ (aber nicht gänzlich) unaufgeregt auf 3 Weisen statt, im Weltraum, auf Raumbasen und im Dialogfenster. Während man sich im Weltraum innerhalb der Sternsysteme frei mit seinem Schiff bewegen kann, hier verbraucht man keinen Treibstoff und kann so lange umhertüdeln wie man will, navigiert man nach dem Landen auf einer Raumbasis mit der Maus durch verschiedene Menüs um die Jobbörse aufzusuchen, Ausstattung und Waren zu kaufen oder den neusten Tratsch oder Spezialmissionen im Spaceport aufzuschnappen.

Weltraumrambos aufgepasst, im All ist man zu Beginn des Spiels praktisch Freiwild und auch wenn viele NPC im Startbereich freundlich oder neutral gesinnt sind, einen im Bedarfsfall sogar verteidigen oder bei Problemen aushelfen, so gibt es doch die ein oder andere Konfrontation mit den Piraten. Keine Sorge, Raumhäfen sind, so stellt es sich für mich dar, nicht nur Haupt- und Angelpunkt des Weltraumhandels sondern ebenso gleichzusetzen mit der "Base" beim Baseball. Egal wie viele Piraten einem auf den Fersen sind, landet man auf einer Raumbasis ist man (für den Moment) save und unangreifbar. Bekommen einen die Piraten zu fassen und können das Schiff durch Angriffe deaktivieren, stehlen sie die Fracht oder Treibstoff. Dieses unredliche Vorgehen steht, genügend Feuerkraft vorausgesetzt, übrigens auch dem Spieler offen. Hat man sich Feinde gemacht kann eine Auseinandersetzung im All auch mal mit der Zerstörung des eigenen Schiffes enden. Dann heißt es "Spielstand laden" und eine andere Strategie ausprobieren. Spielstände werden übrigens bei jeder Landung auf einem Weltraumhafen angelegt.

Als Spieler ist man langfristig nicht zwingend auf ein Gefährt beschränkt sondern kann sich nach Erwerb weiterer Schiffe mit einem Flottenverband von System zu System bewegen. Das erhöht Verteidigungspunkte, Transportkapazitäten und Profite aber natürlich auch die Kosten und den Bedarf an Management.

Mehr Hacktackatack und weniger Klickediklick

Um sich elegant und formschön durch das All zu schlängeln bedarf es vielerlei Steuermöglichkeiten. Wenige der Steuerelemente sind als mit der Maus klickbare Elemente im Spiel anzutreffen. Für den Spieler heißt das Tasten merken und bei Bedarf die gewünschte Aktion damit auslösen. "M" öffnet beispielsweise die Sternkarte, "J" löst einen Sprung zum gewählten Sternsystem aus, "L" einen Landevorgang auf einem der Planeten im aktuellen Sonnensystem. Einiges an mehr oder minder wichtigen Tasten gilt es sich einzuprägen (oder anderweitig bereit zu halten). Mit F1 bekommt man in den meisten Situation nochmals die wichtigsten Hinweise auf das Display.
Falls ihr, wie ich, auch keine großen Fans der reinen Tastenbedienung seid, mit dem Plugin "additional.command.buttons.radial" lassen sich die eigentlich für Android gedachten zusätzlichen Elemente für den Betrieb am Touchbildschirm auch am PC nachrüsten. So lassen sich viele Faktoren im Spiel dann doch mit der Maus auslösen.

GPU auf Standby

endless_sky_planetenbeschreibung_0.jpgMeine Damen und Herren, im Weltraum gibt es feinstes 2D Top Down und das ist noch das anspruchsvollste was an grafischer Raffinesse auf den Spieler wartet. Der Aufenthalt auf einer Sternbasis kommt dem gegenüber eher minimalistisch daher, jedoch verdient jedes begleitende Bild der vielen verschiedenen Planeten- und Sternbasentypen einen eigenen kleinen Preis und Anerkennung. Die sind wirklich hübsch anzusehen und detailliert, hier scheint viel Liebe hinein geflossen zu sein.

Thema Liebe, jeder der Planeten und die Sternbasen haben außerdem eigene blumige Beschreibungen was die Gegebenheiten vor Ort, die angewandte Architektur, die Geschichte des Planeten und weitere tolle Details angeht. Das gehörte mit zu den Dingen die mich bei diesem Kleinod von Projekt mit am meisten überrascht hat.

Ohrenbetäubende Stille

Endless Sky ist DAS Spiel um nebenher Musik oder Podcast zu hören oder gar einen Film zu sehen (für euch getestet). Die musikalische Untermalung ist schlicht nicht vorhanden und an Toneffekten gibt es nur das Notwendigste. Das macht die Soundausgabe nun nicht unbedingt schlecht, nur eben auch nicht unheimlich wertvoll. Ansonsten erwarten euch Start- und Landegeräusche sowie Triebwerksbrummen, Laser-pew-pew-pew-Sounds, Alarme, Explosionen, so Zeug eben.

Systemunterforderungen

Ihr müsst jetzt sehr stark sein. Die Wahrscheinlichkeit dass Endless Sky eure moderne Hardware ausreizt ist nahezu Null. Auf Steam werden mindestens 750MB Arbeitsspeicher und OpenGL 3.0 (kam etwa damals mit der Nvidia GeForce 8000 Serie) veranschlagt. Besser wären 2GB Arbeitsspeicher und OpenGL 3.3
sudo apt install endless-sky (veraltete Version 0.10.4) möchte im Nachgang ~300mb auf dem lokalen Datenträger belegen. Das ebenfalls verfügbare AppImage (aktuelle Version 0.10.14 oder indev-0.10.15) für Linux bringt ~350mb auf die Waage.

Hardwaretest

Die Probeläufe auf meinem quadratisch-praktisch-gut Gaming Boliden von Tuxedo hätte ich mir eigentlich sparen können. Erwartungsgemäß lief Endless Sky sowohl auf dem Desktop-PC von 2023 als auch auf dem Tuxedo Book XC1706 von 2016, beide mit Tuxedo OS in höchsten Einstellungen absolut klaglos. Nicht einmal die Lüfter sahen sich gezwungen aus ihrem Schlummer zu erwachen. Warum erklärt sich durch die nachfolgenden Zeilen. Ob auf einem leistungsschwachen 4-Kern Intel NUC, einem +10 Jahren alten Netbook oder einem 2-Kern Tablet mit Android 6, ich konnte kein Endgerät finden auf dem Endless Sky nicht mit ausreichend hoher Bildwiederholrate gelaufen wäre.
Ich glaube mein EeePC von 2009 kann nur OpenGL 1.3, da würde es vermutlich Probleme geben ... aber das weitaus größere und allgemeinere Problem dort ist die 32-bit CPU.
Endless Sky hingegen ist ein klarer Fall für Holarse-Toastergaming (läuft auf nahezu allen Endgeräten).

Fazit

endless_sky_Titel.jpgEndless Sky ist toll und eigentlich könnte ich damit schon aufhören, ergänze aber mit einer persönlichen Note.
Eigentlich habe ich nur nach einem Lückenfüller gesucht, welchen ich während meiner Krankheitsphase zur Unterhaltung unterbrechen und fortsetzen kann, wie ich gerade lustig und fit bin. Als Fan des 3D-Genrekollegen Pioneer wollte ich Endless Sky schon lange ausprobieren und nun war es so weit. Nach dem Tutorial, den ersten einfachen Missionen und den überraschend auftretenden und voranschreitenden Handlungssträngen biss ich mich für einige Stunden an dem Spiel fest, sparte auf ein größeres Raumschiff, machte erste Erfahrungen im bewaffneten Konflikt und spürte mit jedem Hypersprung von System zu System den Bann in den mich der Titel langsam aber sicher zog.
Nur noch diese eine Transportmission abschließen, oh, hier sind Medikamente sehr günstig, wo kann ich die mit gutem Profit verkaufen? Ah, da oben, da fliege ich als nächstes hin, oh, in der Jobbörse gibt es noch einen gut dotierten Personentransport für einen Nachbarplanet, nur noch kurz Asteroiden farmen und den Piraten ausweichen, da sind dann auch Luxusgüter sehr günstig einzukaufen und im SpacePort hat mir gerade jemand eine hoch dotierte Spezialmission angeboten ... und so weiter, und so fort.

Fassen wir die relevanten Eckpunkte schnell zusammen: Macht optisch nicht viel her, vermag Genrefans über Stunden hinweg zu unterhalten, läuft cross-plattform und hardwareschonend praktisch auf jedem Geschirrspüler, ist auf den großen Gaming-Plattformen verfügbar, kostet nichts und überrascht mit Storytelling und Tiefgang.
Endless Sky kann was.
Vor allem viel mehr als nur die Langeweile während einer Phase der Nicht-Gesundheit zu überbrücken.

Viel Spaß!

Trivia

  • Bereits am 17. April 2015 wurde das Spiel als "Feature Complete" in Version 0.8.0 Beta veröffentlicht. Schon damals sprach das Entwicklerteam, je nach Spielweise, von 8-16 Spielstunden Unterhaltung.
  • Zuletzt wurde ein Unstable Release von Version 0.10.15 (Link) am 27. September 2025 veröffentlicht.
  • Community -erstellte Inhalte gehören fest zum Konzept. Via "Plugins (Link)" lässt sich das bereits ausführliche Grundspiel um etliche Inhalte erweitern. Von neuen Geschichtssträngen, neuen Schiffen, neuen Alienrassen oder neuen Waffen wird einiges an zusätzlichen Inhalten geboten.
  • Sternensysteme können nur mittels Hypersprung verlassen werden. Versucht man es mit dem konventionellen Raumschiffantrieb, indem man immer weiter in die gleiche Richtung fliegt, geht das Spiel, erst sachlich, später dann philosophisch, darauf ein.
  • Falls es da draußen im Netz eine übersetzte, nicht-englische Fassung des Spiels geben sollte, so konnte der Autor diese nicht finden. Auf Steam finden sich vereinzelt Hinweise von Nutzern, dass es Bedarfe an einer lokalisierten Version gibt, jedoch gleichermaßen Kommentare dahingehend, dass Spielelemente und Texte hart kodiert sind und nicht auf einfachem Wege übersetzt werden können. Auch die fehlende Unterstützung von Umlauten findet Erwähnung, was sich beim Versuch ein Schiff Jürgen, Jörg oder Äbbelwoi zu nennen bestätigt. Stand Oktober 2025 sollten Spieler des Englischen mächtig sein.
  • Asteroiden farmen. Quelle: Trust me Bro.
  • Im Spiel finden sich verschiedenste Anspielungen auf SciFi-Werke aus der Literatur- und Filmwelt.
  • Einer der Entwickler, Sir Derpy Horse (großartig!), scheint auf dem Youtube-Kanal regelmäßig zu streamen. Link
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