Ein Retroheld im Froschgewand
Komplex gerenderte Grafiken, hohe Auflösungen, rasante Verfolgungsjagden und einen Inhalt der dem Spieler das Maximum an Konzentration abverlangt und ihm die Nerven zerfetzt, das sind die Inhalte die man vom wenig aussagekräftigen Titel Frogatto keinesfalls zu erwarten hat. Das Spiel hat aber durchaus andere erwähnenswerte Eigenschaften und einen besonderen, eigenen Charme. Beides sorgt letztendlich dafür, dass das Spiel näher unter die Lupe genommen werden sollte um sich kein übereiltes Fehlurteil zu erlauben.
Es war einmal...
Personen, die zwischen 1980 und 1995 geboren sind, könnten bei folgender kleiner Geschichte in Nostalgie verfallen und an längst Vergangenes zurückdenken.
Es war zwischen 1990 und 1992 als Super Nintendo (SNES) und Sega Mega Drive den Marktstart in Europa erlebten. Sie boten farbenfrohe Spiele und machten einen gelungenen Eindruck. Viele Kaufhäuser stellten die Geräte aus und ließen Kinder Probespielen. Viele Erziehungsberechtigte gaben daraufhin dem steigenden Quengeln des Nachwuchses nach und zum nächsten Geburtstag oder zu Weihnachten gab es einen großen, mit Geschenkpapier verpackten, Spielekonsolenkarton inklusive Inhalt. Die dazugehörigen Spiele verkauften sich gut und teilweise verstaubten Fußball und Skateboard in der Ecke, während der Spielcontroller mancherorts erste Verschleißerscheinungen zeigte.
Im Anschluss eroberten Sega Saturn, PlayStation und Nintendo 64 den Markt. Alle diese Konsolen boten noch bessere Grafik und erstmals die Umsetzung von Spielen in 3D. Der Erfolg war für alle beteiligten Firmen gegeben und auch wenn grafische Umsetzung und Inhalte der Spiele immer besser wurden, gab es aus vielen Richtungen Stimmen die da sagten, dass das beste dreidimensionale Spiel nie den Charme eines Super Mario World oder Sonic the Hedgehog besitzen würde. Diese „Minderheit“ an Personen bekamen bald Spitznamen wie „Nostalgiker“ oder aber in Neudeutsch „Retro-Fans“.
Wer beim Lesen des bisherigen Textes die eigene Vergangenheit in Verbindung bringt, dürfte sich über die nun anschließende Spielvorstellung eines 2D Jump n' Runs freuen. Es ist ganz im Stil der alten Schule, also ähnlich diverser Spiele zu Zeiten der eben genannten Spielkonsolen. Kurzes Quiz vorab: Was ist klein, grün und fängt seine Gegner mit der Zunge? Yoshi? Falsch, Frogatto!
Einleitung
Frogatto, Hauptcharakter und Namensgeber des Spiels, ist ein arbeitsloser Frosch dessen Tag im Spiel eigentlich damit beginnt, dass er sich auf Arbeitssuche begibt. Unverhofft kommt oft: Nach einigen Metern und dem Tutorial für den Spieler wird schnell klar, dass aus der Arbeitssuche die Mission zur Rettung aller vor dem bösen Milgram wird. Neben ungefährlichen Fähigkeiten wie quaken und rülpsen beherrscht Frogatto auch den Umgang mit seiner Froschzunge vorzüglich, was ihn kleinere gegnerische Kreaturen aufnehmen und gegen größere gegnerische Kreaturen schmeißen lässt. Auch kann ein Schlüssel zum Öffnen von Türen gemütlich im Inneren von Frogatto von A nach B getragen werden. Voraussetzung hierbei ist, sich nicht vom Gegner treffen zu lassen. Als Schockreaktion auf Verletzungen steht nämlich das Ausspucken des derzeit getragenen Gegenstands.
Installation
Die Beschaffung einer für die Bedürfnisse passenden Version steht hier an erster Stelle. Die Entwickler bieten auf der zum Spiel gehörigen Homepage verschiedenste Möglichkeiten an. Derzeit befinden sich dort die Quelldateien für Linux allgemein, Pakete für Debian Sid und Bookworm sowie Dateien für Windows, MacOS und iPhone. Letztere Variante wird nicht kostenlos vertrieben sondern kommerziell vermarktet. Die Steam-Version wird leider auch nur ohne native Linux-Version angeboten.
Außerdem wird auf der Downloadseite ein Link zu einem Forenbeitrag angepriesen, der sich mit den Installationspaketen für Ubuntu befasst. Ebenfalls auf genannter Downloadseite findet man die Information, dass Frogatto, eine funktionierende Internetverbindung vorausgesetzt, anonymisierte Daten zur Nutzung des Spiels an die Entwickler übermittelt, mit dem Ziel das Spiel weiter verbessern zu können. Wer damit nicht einverstanden ist sollte das Spiel nicht oder nur mit deaktivierter Internetverbindung spielen.
Die Installationsanleitung befasst sich ausschließlich mit den zur Verfügung gestellten Quelldateien, um auf möglichst vielen Distributionen Verwendung zu finden.
Nachdem das circa 100 MB große tar.bz2 Archiv heruntergeladen wurde, wird dieses an einer beliebigen Stelle entpackt. Über die Konsole lässt sich dies durch das Ausführen von
$ tar xfvj frogatto-1.*.*.tar.bz2
bewerkstelligen, nachdem man zuvor zu dem Ordner, in welchem sich das Archiv befindet, navigiert hat. Anschließend wechselt man in das Verzeichnis frogatto-1.*.*, welches soeben erzeugt wurde, und gibt
$ make
ein. Dieser Befehl sollte eine ausführbare Datei „game“ erstellen, über die sich das Spiel zukünftig starten lässt.
Sollte es beim Ausführen von make zu Fehlern kommen, ist es angebracht zu prüfen, ob alle Abhängigkeiten an das System erfüllt werden. Diese sind in der, im Archiv mitgelieferten Datei INSTALL aufgelistet und müssen sowohl in der generellen wie auch in der Entwicklungsversion (-dev) auf dem System installiert sein, damit das Ausführen der Datei make nicht scheitert.
Im Einzelnen handelt es sich hierbei um die Bibliotheken boost_iostream, boost_regex, boost_asio, boost_system, libsdl, libsdl-image, libsdl-mixer, libsdl-ttf, gl, glu, glew, ccache, g++ und libz.
Das Spiel lässt sich außerdem über das AUR (Arch User Repository) unter dem Namen frogatto installieren.
Für Debian liegen vorkompilierte Pakete im contrib Repository zur Installation bereit. Diese können anhand eines Terminals mit dem Komando
apt install frogatto
installiert werden.
Die Installation von Frogatto and Friends ist auch mittels dem Ubuntu Software Center möglich.
How2play
Die zu kennenden Tasten für das Spiel sind Wenige, müssen aber für manche Bewegung gut beherrscht werden. In der Standardeinstellung bewegen die Pfeiltasten Frogatto in die jeweilige Richtung. Mit der Pfeil-nach-unten-Taste duckt sich der Held, während er mit der Pfeil-nach-oben-Taste Türen öffnet oder Personen anspricht. Mit der A-Taste wird gesprungen, mit der S-Taste angegriffen. Anfangs ist unter Angriff noch ein vorsichtiger Zungenschlag zu verstehen. Später bieten sich dem Spieler noch andere Möglichkeiten Jagd auf Gegner zu machen.
Bewegt man eine der Pfeiltasten 2 mal schnell hintereinander nach links oder rechts, beginnt Frogatto einen Sprint in die jeweilige Richtung. Drückt man während dieses Sprints noch die S-Taste für Angriff, schlittert Frogatto eine kurze Strecke. Gut um Gegner aus dem Weg zu schleudern. Ist Frogatto geduckt (Pfeil-nach-unten) und man betätigt eine der beiden Richtungstasten, rollt er sich in die entsprechende Richtung. Befindet man sich nach einem Sprung (A-Taste) in der Luft und drückt währenddessen die Pfeil-nach-unten-Taste, vollführt der kleine Frosch einen Kreiselsprung mit dem Gegner außer Gefecht gesetzt und Steine zerstört werden können. Das Logische zum Schluss: Rennt Frogatto (2x eine Richtungstaste schnell hintereinander) und springt währenddessen, kann er mit diesem Sprung weitere Abgründe überwinden.
Diese und weitere Fähigkeiten (z.B. an Wänden festhalten, der korrekte Umgang mit Gegnern) wird im Spiel integrierten Tutorial weiter erläutert. In einer Spielwelt sind mehrere rote Fragezeichen zu finden. Steht man vor einem dieser Fragezeichen und betätigt die Pfeil-nach-oben-Taste bekommt man diese nützlichen Informationen.
Zwei nützliche Tastenkombinationen zum Abschluss dieses Abschnitts noch: STRG+E öffnet aus dem Spiel heraus den Leveleditor mit dem Welten verändert werden können. STRG+F schaltet vom Fenstermodus in den Vollbildmodus um. Dieser ist zu empfehlen wenn der Monitor auf eine sehr hohe Auflösung eingestellt ist, das Frogattofenster also sehr klein wirkt.
Erwähnenswerte Spielinhalte
Zugegeben, sieht man Frogatto das erste Mal, erwischt man sich gegebenenfalls selbst dabei wie man behauptet, dass das alles schon mal da gewesen ist. Ein grünes Tier das Gegner mit der Zunge schluckt, ein Held der ein Dorf vor dem Bösen retten muss oder auch wildes den Gegnern auf dem Kopf Rumgehopse. Dieser Abschnitt soll aber nicht verurteilen sondern viel eher hervorheben worin sich Frogatto von anderen klassischen Jump n' Runs unterscheidet.
Zuallererst hat der froschige Hauptcharakter eine Lebensanzeige, ist also nicht nach jedem Treffer außer Gefecht gesetzt. Diese Lebensanzeige in Form von Herzen kann durch das Finden weiterer Herzteile erweitert werden, sodass es später einige Zeit dauert bis es den Frosch aus seinen Latschen haut.
Es wurde ein finanzieller Faktor in das Spiel integriert. Der anfänglich stereotype Frosch kann gegen Bares später seine Fähigkeiten aufwerten. Eine Zungenverlängerung oder die Möglichkeit nach dem Aufsammeln eines Kraftkristalls Energiebälle zu schießen gehören mit zu den nettesten Erweiterungen. Um den froscheigenen Kontostand zu füllen gilt es Münzen einzusammeln die überall herumliegen und gefunden werden möchten.
Kein nervender Spiel-Vorbei Bildschirm, kein Zittern um Möglichkeiten das Spiel fortzusetzen, kein Sammeln von 100 Gummipunkten um ein Leben zusätzlich zu erhalten. Wenn Frogatto umkippt, startet er direkt erneut um nochmal sein Glück zu versuchen, wenn es hart auf hart kommt auch 100 mal hintereinander. Wer irgendwann doch keine Lust mehr hat, sucht eines der vielen Klohäuschen in den Welten und betritt dieses. Eine Frage zum Speichern des Spiels folgt.
Das Spiel bietet an manchen Stellen Aufgaben um Geld oder Belohnungen zu erhalten, bewegt sich somit fast schon in die Richtung eines 2D Rollenspiels. In diesem Zusammenhang sind die Teleporter an den verschiedenen Ecken der Spielwelt zu erwähnen. Man kann Frogatto durchspielen indem man einfach durch jeden Level durch rennt. Das lässt jede Individualität des Spiels verloren gehen. Man kann aber auch besagte Nebenaufgaben sammeln und zu deren Erfüllung quer durch die verschiedenen Level flitzen, vorwärts wie auch rückwärts.
Die Musik
Die Musikstücke des Spiels gliedern sich nahtlos in den Rest ein. Zwar klingen sie besser als diese aus früherer Zeit, sie versprühen aber dennoch die zum Retrostil gehörende Stimmung und untermalen das Spiel. Einige Titel erinnern vielleicht etwas zu sehr an typisches Kaufhausgedudel, sonst sind sie sehr angenehm.
Musik alleine wäre nicht genug, auch müssen Handlungen und Bewegungen irgendwie akustisch signalisiert werden. Das haben die Entwickler auch eigentlich ganz nett umgesetzt, wäre da nicht dieses wiederkehrende und nach einiger Zeit nervende Geräusch, wenn der Frosch anfängt zu rennen. Im späteren Verlauf wird der geübte Spieler die schnellere Fortbewegung des Frosches zu schätzen wissen und oft nutzen. Spätestens dann wird es soweit sein, dass, nach einiger Spielzeit,
dieses an Grillengezirpe erinnernde Geräusch, durch Monotonie auffällt und stört.
Ansonsten gibt es, wie gesagt, wenig zu bemängeln. Die restlichen Toneffekte sind, wie die Musik, passend. Setzt der Frosch zum Sprung an, quakt er kurz. Wird ein Gegner ausgespuckt, ertönt ein amüsierendes Rülpsgeräusch. Die restlichen Geräusche lassen sich nicht genau definieren. Sie wirken im Spiel gut platziert, manche von Ihnen würde man aber ohne das man zur gleichen Zeit sieht was der Frosch macht nicht zuordnen können.
Wer von Soundeffekten oder Hintergrundmelodien nichts wissen möchte, deaktiviert beide unabhängig voneinander. Mit der ESC-Taste im Spiel gelangt man zu den entsprechenden Reglern.
Das Fazit
Frogatto schafft es die 2D Rumspringelemente der bekanntesten Genrekollegen von damals in ein aktuelles Format zu packen. Zusätzlich fließen aber auch informative Gespräche und Nebenaufgaben mit in das Spiel ein, was dem Ganzen den Charakter eines weiter fortgeschrittenen Jump n' Runs verleiht. Garniert wird der Gesamteindruck durch die absichtlich grob gehaltene Grafik, ein oft genutztes Element von Retrospielen um eben diesen Hauch von damals zu vermitteln, die jedoch im Detail, mit einem Fingerzeig auf die Wassereffekte, sehr schön anzusehen ist. Wer so richtig Retro sein möchte stellt die Tastatur zur Seite und schließt einen Kontroller an den PC an. Frogatto ist quasi prädestiniert für den Spielkontrollergebrauch.
Der Quelltext von Frogatto steht unter der Open Source Lizenz, die Inhalte des Spiels, Grafiken etc., fallen jedoch nicht unter diese Lizenzierung. Ein kleiner aber feiner Wermutstropfen besteht noch: Die Textausgabe des Spiels ist komplett in englischer Sprache. Auch wenn im Entwicklerforum erste Anstalten gemacht werden das Spiel ins Deutsche zu übersetzen, ist bisher keine deutsche Sprachdatei integriert. Erst kommende Veröffentlichungen werden vielleicht eine deutsche Sprachdatei beinhalten. Ähnlich wie bei den Klassikern aus Sega- und Nintendo-Zeiten macht das fast nichts. Es ist es eben ein Jump n' Run und kein textliches Abenteuerspiel bei dem es gilt jedes einzelne Wort zu verstehen. In diesem Sinne, viel Erfolg beim Quaken und Weltenretten.
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