Railway Empire ist eine Eisenbahn-Verkehrssimulation vom Entwickler Gaming Minds und Publisher Kalypso Media. Sie ist am 26. Januar 2018 für Windows und Linux auf Steam sowie drm-frei auf GOG erschienen.
Freundlicherweise hat uns Kalypso Media einen Key zum Testen der Linux-Version zur Verfügung gestellt, vielen Dank dafür.
Die Linux-Version zu Railway Empire wurde schon früh verkündet und pünktlich zum Release der Windows-Version war auch die Linux-Version schon am ersten Tag mit dabei. Wir wollen jetzt einen näheren Blick auf die Linux-Fassung werfen.
Hardware-Anforderungen und Testsystem
Unterstützt werden offiziell Ubuntu 16.0.4 LTS und die jeweils aktuelle SteamOS-Version. Als Grafikarten dürfen NVIDIA und AMD daherkommen. Der Publisher empfiehlt mindestens eine NVIDIA GeForce GTX 680 oder alternativ eine AMD Radeon HD7970. Die Karten sollten 2GB VRAM haben und Shader Model 5 unterstützen.
Getestet haben wir Railway Empire auf einem openSUSE 42.3 mit einer NVIDIA GeForce GTX 960 (4GB VRAM) in der Treiberversion 387.34 auf einer AMD Ryzen R7 1800X-CPU. Grundsätzliche Probleme konnten wir nicht feststellen. Es scheint, dass openSUSE weniger Probleme hat als die aktuelle Ubuntu 17.10-Version. Diese lies sich auch trotz verschiedener NVIDIA-Treiberversionen nicht über das Startmenü des Spiels hinaus zur Mitarbeit bewegen. Besserung brachte die GL_THREADED-Startoption, die ihr weiter unten unter Troubleshooting genauer besprochen findet.
Grafik, Sound und Technik
Von einem großen Publisher wie Kalypso erwartet man bei einem so groß angekündigten Titel natürlich auch eine ausgereifte und moderne Grafik. Und man kann zurecht sagen, dass man nicht enttäuscht wird. Das Spiel ist wirklich hübsch. Die Zwischengrafiken sind sehr schön gezeichnet, insbesondere in der Kampagne untermalen sie das Wild-West-Szenario gekonnt. Leider stören ein paar Probleme das Gesamtbild, die vermutlich hauptursächlich aus der verwendeten Engine stammen. Diese bedient sich scheinbar einer Art Streaming-Konzept und lädt Grafiken beim Heranzoomen nach. Das führt dazu, dass beim schnellen Zoomen die Texturen noch verpixelt dargestellt werden. Wie auch schon in XCOM 2 muss die eingesetzte Engine noch ein wenig optimiert werden, damit diese Pixel nur beim erstmaligen Laden einsetzen. Hoffentlich setzt Gaming Minds hier nochmal an, denn die Pixelflecken stören das sonst sehr schön gemalte Spielfeld doch sehr. Wie scheinbar unter der Windows-Version auch, lassen sich unter Linux die Grafikeinstellungen höchstens auf "normal" einstellen. VSync kann aktuell sogar lediglich durch manuelles Bearbeiten in der Konfigurationsdatei aktiviert werden.
Abstürze konnten wir einige wenige feststellen, leider waren sie nicht unbedingt reproduzierbar und ohne weitere Informationen damit vermutlich für Gaming Minds auch nicht hilfreich. Sie waren in der Tat auch nicht so häufig und präsent, dass sie das Spielen behindert oder eingeschränkt hätten. Die Entwickler haben in den Steam-Foren bereits einige Speicher-Dumps aus Abstürzen gesammelt und werden diese Probleme in den nächsten Patches angehen.
Sehr angenehm finde ich den fließenden Wechsel zwischen Vollbild und Fenstermodus - das Fenster lässt sich beliebig in der Größe ändern - ohne einen Neustart des Spiels zu verlangen.
Sehr lobenswert ist die Geschwindigkeit des Spiels. Damit ist nicht nur die Grafikgeschwindigkeit und Frames im Spiel selbst gemeint, sondern vielmehr die reine Verarbeitungszeit. Die Ladezeit vom Starten des Spiels in Steam bis zum Menü beträgt auf meinem Testsystem nur 7-8 Sekunden! Das Laden eines Spielstandes dauert nur knappe 8 Sekunden. Der Start eines Sandkasten-Spiels ist nach nur vier Sekunden (!) erledigt.
Eine Sache wäre da noch: Mich würde interessieren, wieso mich das Einstellungsmenü in seiner Gestaltung doch sehr an Prison Architect erinnert. Zufall?
Spielmechanik
Was bietet das Spiel
Von der optischen Perspektive nun zur Spielinhaltlichen. Wir werden hier nicht ganz genau auf die Spielmechaniken eingehen. Dafür gibt es dort draußen wahrlich genug Material. Wir werden dennoch hier unseren Eindruck nach einigen Stunden Spielzeit mit Railway Empire zum Besten geben.
Railway Empire bietet neben einer umfangreichen Kampagne, die die Eroberung und Eisenbahnifizierung des amerikanischen Westens nachspielt, auch noch weitere Spielmodi für jeden Geschmack. In den Szenarien kann man sich mit spezifischen Problemen bzw. Aufgabenstellungen der jeweiligen Region befassen. Leider gibt es nur ein, zwei oder drei je Region.
Im freien Modus kann ohne Hauptauftrag in einer der sieben Regionen der USA gespielt werden. Im gleich aufgebauten Sandbox-Modus fällt dann noch die Geldkomponente raus – sozusagen als Modellbau-Modus.
Die Spiele können mit den Startjahren in Zwanziger-Schritten von 1830 bis 1910 gespielt werden.
Wie spielt es sich
Oftmals wird Railway Empire als Nachfolger zum Klassiker Railroad Tycoon Deluxe gehandhabt. Diesem dürfte es mit moderner Grafik entsprechen. Als Konkurrent zu Transport Fever sehe ich es allerdings nicht. Denn dazu fehlt ihm die Bautiefe. Der Streckenbaumodus ist hübsch, intuitiv und ermöglicht es schnell die Strecken zu verlegen. Gerade das Ziehen und Zurechtrücken von Strecken ist hier nett gelöst.
Brücken und Tunnel müssen nicht extra angelegt werden, denn das Bau-Werkzeug erstellt diese für euch automatisch, wenn ihr die Strecke über einen Fluss oder einen Berg legt. Leider können bei Brücken und Tunneln keine verschiedenen Designs geschweige denn Materialien verwendet werden. Beim Konkurrenten Transport Fever, aber auch schon bei OpenTTD verändert man beispielsweise damit dann auch die Überquerungsgeschwindigkeit und ist ein wichtiger Faktor in den Kosten und bei der Planung der Strecke.
Die Waggons werden automatisch mit Ware befüllt sobald sie an einem Bahnhof anhalten. Die Befüllung findet höchstens bis zur maximalen Anzahl von Waggons statt. Da dieser Vorgang automatisch abläuft und in der Streckenplanung Waggons und Waren für den Spieler keine Rolle spielen, verschwinden diese beim Endladen und tauchen in der benötigten Anzahl wieder auf. Diese lässt sich nicht beeinflussen, ist weniger Ware am Bahnhof verfügbar, fahren auch weniger Waggons mit. Freunde des Detailreichtums dürfte das weniger gefallen, denn woher kommen diese ganzen Waggons und warum muss man diese nicht bezahlen? Die Begrenzung auf eine Maximalanzahl ist leider auch schade, denn insgeheim hab ich mich schon auf kilometerlange Züge durch die Prärie gefreut.
Ein weiteres Manko ist leider auch die Liniensteuerung. Man legt eine Linie an und weist dieser beliebig viele Bahnhöfe zu. Dann weist man dieser Linie einen Zug zu. Und schon geht es los. Sehr einfach und direkt. Das Problem mit diesem Ansatz macht sich erst dann bemerkbar, wenn man zur Entlastung der Strecke noch einen weiteren Zug fahren lassen möchte. Diese blockieren sich dann gegenseitig, selbst dann, wenn man zwei Gleise verlegt. Die Linie ist nicht auf das Gleis definiert, sondern auf den Bahnhof. Ein einfaches Szenario mit einem zweigleisigen Bahnhof und zwei Zügen mit denselben Start- und Endbahnhöfen zeigt das Problem schnell auf. Um das Problem zu umgehen, muss mit Signalen die Gleisrichtung definiert werden. Da die Züge aber vom Computer auf immer demselben Gleis gesetzt werden, hat man schnell eine Blockade gebaut. Die Umgehung mit Weichen und Richtungssignalen hilft zwar im ersten Moment aber häufig genug landen die beiden Züge wieder auf demselben Gleis und stehen im besten Fall im Bahnhof und verweigern die Abfahrt. Im schlechtesten Fall stehen sie sich direkt gegenüber. Hier hilft dann nur verkaufen.
Zwischen den Linien wechselt man dann auch noch mit Links- und Rechtspfeilen hin und her, wer die umfangreichen Strecken und Linien aus den Konkurrenten im Kopf hat, kann sich denken, dass die Art der Streckenverwaltung entweder nicht viele Strecken unterstützt oder sehr schnell sehr anstrengend und unübersichtlich werden kann.
Stehen sich tatsächlich auch mal zwei Züge auf einem Gleis gegenüber hat man verloren und muss einen Zug komplett entfernen und verkaufen. Das kann gerade am Anfang einer Mission oder Szenario das vorzeitige Ende bedeuten.
Vom Warenhandel selbst hat man als Spieler über die Städte einen gewissen Einfluss. Dort kann man Industrien aufbauen und Weiterverarbeitung von Waren in eigenen Fabriken in Auftrag geben. Die Karten und die Industriestandorte sind fest vorgegeben, sie ändern sich je nach Spielmodi auch nicht. Eine prozedural generierte Karte könnte hier für längeren Spielspaß sorgen.
Ein nettes Detail ist die Aufwertung der Züge selbst. Diese lassen sich mit Person in dem Komfort und der Leistung verbessern. Aber auch die Züge selbst können mit Speisewagen und anderen netten Erweiterungen ausgebaut werden. Damit man vor lauter Aufgaben nicht die Übersicht verliert, gibt es die schöne Idee einer Aufgabenliste an der man sich entlanghangeln kann, um im Spiel voranzukommen.
Sehr gelungen ist die Mitreisemöglichkeit. Auf den Zügen mitfahren konnte man ja auch schon in Transport Fever, hier wirkt es jedoch sogar noch authentischer. Man kann zwischen Links und Rechts und einer Bodenansicht wechseln – und man kann mit der Maus frei den Kopf drehen. So macht es gleich noch viel mehr Spaß durch die abwechslungsreiche und schön gezeichnete Landschaft des Wilden Westens zu Reisen.
Der comichafte Stil in den Menüs ist Geschmackssache, hat aber durchaus seinen Reiz. Die Ingame-Grafik von Railway Empire ist dagegen durchgehend stimmungsvoll und setzt auch wetterabhängige Einflüsse in einer schönen Atmosphäre um. Die ländlichen Stationen wirken durch die unterschiedlichen Arbeiter lebendig und manchmal tatsächlich etwas hinterwäldlerisch und verlassen an. Sehr stimmig.
Grundsätzlich möchte Railway Empire dem Spieler viel Komfort bieten, wenn es aber an ein wenig mehr als die Grundausstattung geht, kommt man häufig mit der Spielmechanik in Konflikt. Hier sollte Gaming Minds noch nachbessern.
Multiplayer
Gaming Minds hat sich explizit gegen die Implementation eines Multiplayer-Modus entschieden (Link). Immerhin kann man gegen die KI spielen. Hier gibt es allerdings auch einige Kritiken, die bemängeln, dass die KI immer im leichten Streckenbau spielen kann (keine Zug-Kollisionen).
Kaufen
Railway Empire könnt ihr einmal als Steam-Version aber auch als komplett DRM-freie Version bei GOG für Linux erhalten. Erwerben könnt ihr das Spiel im Steam-Shop, aber auch Kalypso selbst bietet die Steam-Key-Version im Kalypso-eigenen Shop an. Der Preis beträgt happige €49,99.
Troubleshooting
Abstürze im Menü mit Ubuntu 17.10
Hier scheint die Start-Option zu helfen:
__GL_THREADED_OPTIMIZATIONS=1 %command%
Fazit
Railway Empire ist wirklich sehr sehr hübsch und passt sich gut in das Wild-West-Szenario ein. Die Landschaft wirkt lebendig und in den Städten herrscht reges Leben. Vom Simulationsanspruch her dürften aber hier eher Gelegenheits-Strategen ihren Spaß haben, wer eine tiefergehendere Wirtschaftssimulation sucht, wird hier wahrscheinlich nicht glücklich werden. Das Spiel macht auf einfacher Ebene Spaß und sieht gut aus. Dafür ist allerdings der Preis mit knapp 45€ doch sehr happig.
Abschließendes Fazit: Nettes Spiel für Zwischendurch, gerade der Sandbox-Modus für den Eisenbahnmodellbauer hat was. Preis und Simulationstiefe sind aber nicht gerade für jeden etwas.
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