Tropico 6

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Sie sind wieder alle beisammen. Der Spieler als wohlwollender Diktator eines kleinen tropischen "Paradises", der getreue Helfer Penultimo mit dem ungeheuerlichen Drang einen mit "El Presidente" anzusprechen und natürlich die vielen Frakionen und Mächte, die alle ihr Fähnchen am Höchsten geschwungen sehen wollen.

Tropico 6 ist zu unserer großen Freude auch wieder mit Linux-Unterstützung erschienen. Wir haben von Kalypso Media freundlicherweise eine Kopie von Tropico 6 erhalten, die wir zusätzlich zu unseren privaten Versionen zum Testen verwenden konnten. Vielen Dank dafür. Dadurch konnten wir auch den Crossover-Multiplayer ausgiebig testen.

Für das Review haben sich NoXPhasma und Comrad zusammengetan und für euch die Linux-Version getestet.

Einleitung

Tropico selbst gibt es bereits seit 2001 (der erste Teil lässt sich mit Wine spielen, siehe dazu auch Meldrians Holarse Retro Winenachten Nr 12. Tropico 4 ist sogar offiziell von Valves Steamplay über Proton unter Linux spielbar.

Persönlich bin ich (comrad) Tropico-Fan seit der dritte Teil mich gepackt hatte. Der vierte Teil entsprach in etwa dem dritten, nur mit Social Media-Integration und gefühlten Feinheiten-anpassungen. Der fünfte Teil brachte dann die Ausdehnung der Spielzeit auf die Zeitspanne von der Kolonialzeit bin hin zur Moderne mit. Tropico 5 war dann auch der erste Teil der Serie, der nativ als Linux-Version angeboten wurde (siehe auch Meldrians Kurz angespielt).

Wurden die Vorgänger noch von Haemimont Games entwickelt, so wurde die Umsetzung bei Tropico 6 vom deutschen Entwicklerstudio Limbic Entertainment entwicklt und von Kalypso Media vertrieben. Limbic Entertainment konzentriert seine Entwicklungstätigkeit auf die Unreal Engine, weshalb der sechste Teil nicht ganz unerwartet auch in der Unreal Engine 4 präsentiert wird. Für viele Stimmen in der Community war die Wahl dieser Engine für ein Spiel der Tropico-Reihe eine ungewöhnliche Wahl, weshalb wir hierzu später auch näher auf die Leistungsfähigkeit der Engine das Tropico-Feeling zu erzeugen, eingehen werden.

Verschiebung

Anfang Januar gab Kalypso dann die Entscheidung bekannt (Link), dass die vorliegende Qualität nicht dem eigenen Anspruch an das Spiel genügt, und das das Spiel daher auf den 29. März 2019 verschoben wird, um noch notwendige Qualitätsverbesserungen einzubringen. Vorbesteller wurde dann angeboten entweder vom Kauf zurückzutreten oder als Entschädigung das erste DLC kostenlos zu erhalten. Der CEO von Kalypso erläuterte die Hintergründe der Entscheidung dann zusätzlich auch noch in Form eines offenen Briefes in dem hauseigenen Blog.

Der verschobene Termin im März wurde dann aber auch gehalten und das Spiel wurde planmäßig für Windows, OS X und Linux am 29.03.2019 veröffentlicht.

Die Linux-Version hinkt derzeit noch bugmäßig der Hauptversion etwas hinterher. Bekannte Fehler, wie das Kampfsystem unter Linux, wurden in der mitgelieferten ausführlichen FAQ-Datei, angesprochen. Angesichts der Qualitätsprobleme ist es zumindest professionell bestehende Probleme zu benennen. Wir erwarten natürlich, dass die linuxspezifischen Probleme alsbald gelöst werden. Abstürze, oder spielverhindernde Fehler haben wir im Singleplayer und auch im Multiplayer nicht mehr erlebt.

Über das Spiel

Inhaltlich bringt das neue Tropico keine großen Umwälzungen mit. Wer die vorherigen Teile kennt, wird sich hier auch sehr schnell zurecht finden. Die Missionen sind im sechsten Teil deutlich länger und umfangreicher, die Ziele innerhalb einer Missionen auch abwechslungsreicher. Das anfängliche Gezerre der verschiedenen Fraktionen mit sinnlosen Aufträgen wie dem Neubau von bereits bestehenden Gebäuden sind nur in der ersten Mission präsent. Der Handel ist durch die Aufträge der Fraktionen deutlich in den Vordergrund gerutscht, leider macht die Benutzeroberfläche im Handel die Übersicht unnötig schwer. Sehr gut gelungen ist die Ausbreitung auf mehrere Inseln. Die verschiedenen Zeitalter, schon bekannt aus Tropico 5, wurden hier auch gut integriert und machen das Spiel deutlich interessanter.

Da wir uns nun über mehrere kleinere Inseln ausbreiten müssen, um auch alle Ressourcen nutzen zu können, ergeben sich einige Neuheiten. So müssen wir dafür sorgen das Güter und Arbeitskräfte von einer Insel zu anderen kommen. Außerdem wird das Platzmanagement nochmals deutlich wichtiger als im Vorgänger.

Darüber hinaus gibt es nun auch einen Broker, bei dem wir uns gegen Geld neue Gebäude freischalten können, oder wir ziehen die nächsten Wahlen vor. Zudem lassen sich dort auch anderen Länder sabotieren. Piraten gibt es ebenfalls, die nach unseren Willen entweder auf Raubzug gehen oder andere Missionen erledigen.

Ein wenig nervig sind die Anfragen der Fraktionen in dem Fall, wo sie bereits bestehende Gebäude fordern. Natürlich kann es je nach Ausbreitung auf den Inseln und/oder der Stadtgröße erforderlich sein, mehrere Gebäude zu bauen, verwirrend und irritierend bleibt es dennoch.

Tropico 6 steht vollständig auf Deutsch zur Verfügung.

Grafik

Die Grafik ist hübsch und bringt einen in richtige Karibik-Stimmung, dieser Aspekt war bislang seit dem dritten Tropico-Titel immer gelungen. Mit der sechsten Iteration und dem Wechsel auf die Unreal Engine 4 kommen noch ein paar hübsche Wassereffekte und die Dämmerungsansicht (trotzdem gibt es keinen Tag-Nacht-Wechsel) bringt auch noch mit den länger werdenden Schatten ein wenig Stimmung mit.

Hatte man jedoch in den vorherigen Teilen das Gefühl den Tropicaner grafisch sehr nah zu sein, so wirken die Figuren bei einem spiel üblichen Zoom-Level doch sehr strichmännchenmäßig und Detailarm aus. Das ändert sich deutlich, wenn man ein wenig hineinzoomt. Da ich persönlich gerne den Überblick habe, fällt diese Detailarmut, vermutlich durch die Engine bedingt, natürlich auf.
Anmerkung: Dieser Strichmänncheneffekt scheint sich durch den zweiten Patch verbessert zu haben. Die Bewohner wirken nun plastischer und passen sich deutlich besser in das Gesamtbild ein.

Der Wuseleffekt bei größeren Städten kommt auch bei der Besiedelung mehrere Inseln zum Tragen. Arbeiter werden mit kleinen Booten zur Arbeitsstelle gefahren, Waren werden mit Schiffen abgeholt, es ist ordentlich was los auf dem Wasser.

Leistung

War Tropico 5 auf den höchsten Einstellungen noch moderat fordernd zur Hardware, schlägt Tropico 6 deutlich andere Töne an. Das wird schon deutlich wenn man sich die Systemanforderungen anschaut:

Tropico 6 fordert mindestens eine GTX 750 oder Radeon HD 7870 auf einer 3GHz Dual-Core CPU mit 8 GB RAM und übertrumpft damit bei weitem die empfohlene Hardwareanforderungen des Vorgängers (GeForce 500 oder Radeon HD 5000, 2GHz Dual-Core CPU mit 4 GB RAM). Empfohlene Systemanforderungen gibt es für Linux nicht, für die Windows Version werden hingegen eine 3,3GHz Quad-Core CPU mit 16 GB RAM und einer Radeon R9 380 oder Geforce GTX 960 Grafikkarte empfohlen.

Getestet wurde zum einen auf einem AMD Ryzen 7 1800X (bis 4GHz), 32GB RAM und der empfohlenen Geforce GTX 960 mit 4 GB Videospeicher. In der Grafik-Voreinstellung "Hoch" spielt sich das Spiel angenehm, erreicht aber auch nicht wirklich hohe Frameraten. Ruckler oder Hänger gab es bei der Einstellung jedoch nie.

Selbst auf einem Ryzen 7 1700 (@3,8GHz), 32GB RAM gepaart mit einer GTX 1080 waren auf den höchsten Einstellungen keine stabilen 60 FPS möglich (1920x1080). Besserung gibt es beim herabsetzen der Grafikeinstellungen, allerdings auch nur bis zu einem gewissen Grad, denn selbst auf den aller niedrigsten Einstellungen gibt sich das Spiel äußerst hardwarehungrig. Besonders beim Herauszoomen fallen die FPS drastisch herab, hier gibt es noch eine Menge Optimierungspotenzial. Man erinnere sich nur an die nachträglichen Performance-Optimierungen bei XCOM 2, das auf der Vorgänger-Engine Unreal Engine 3 basiert und mit deutlichen Stockern zu kämpfen hatte.

Grundsätzlich war das Spiel durchweg spielbar und harte Ruckler waren nicht zu verzeichnen.

Multiplayer

Wie schon der Vorgänger Tropico 5 bietet dieser Teil auch einen Multiplayer-Modus an. Das finden der Mitspieler erfolgt über eine eigene Lobby in der man öffentliche und private Spiele hosten kann. Der Multiplayer funktioniert auch crossplattform über Windows und Linux ohne Probleme oder Latenzen, Lags oder andere Synchronisationsproblemen. In der Lobby können auch verschiedene Startparameter eingestellt werden. Beispielsweise die Wahl der Insel, der maximalen Mitspieler und der Startkonditionen der jeweiligen Herrscher.

Man spielt dann auf einer oder mehreren Inseln, die es zu besiedeln gilt. Oftmals sind die interessanten Ressourcen auf den noch auszubauenden Inseln, auf die es zu expandieren gilt. Interaktionen zwischen den Spielern finden in erster Linie über die Piratenbucht usw statt, später kommen dann noch Diplomatie und Verträge dazu. Auch ausgiebige Eroberungskriege können die Parteien dann gegeneinander führen.

Aktuell können Multiplayer-Partien noch nicht gespeichert werden, der Entwickler verspricht das alsbald nachzuliefern.

Kaufen

Tropico 6 kann für Linux in Steam, im Humble Store als Steam-Key. Einen Steam-Key bekommt man auch im Kalypso-Shop. GOG bietet auch die Vorgänger an, dort findet trotz vorhandener Linux-Version nur die für Windows.

Das Spiel ist in einer normalen Edition für €49,99 und in einer "El Prez"-Edition für €54,99 erhältlich. Diese ist dann noch mit einigen digitalen Gadgets ausgestattet.

Fazit

Mit Tropico 6 sind dem "Tropico-Neuling" Limbic Entertainment und Kalypso Media ein herausragender Nachfolger mit ordentlichem Spielumfang und dem erhofftem Tropico-Feeling gelungen. Für alle, die bereits Tropico 3/4 oder die Zeitalter in Tropico 5 mochten, werden hier das Konzept noch deutlich vertieft erleben.

Besonders lobenswert muss das Krisenmanagement erwähnt werden. Schwierigkeiten im Entwicklungsprozess kann es immer geben. Daher ist es als äußerst professionell zu erachten, dass Kalypso hier lieber auf die Qualität und eine offene Kommunikation mit der Community geachtet hat, als auf den Releasetermin. In den FAQ wurden die bekannten Fehler (unter Linux) benannt und teilweise Workarounds angeboten. Die ersten Tage bis zum zweiten Patch waren noch an einigen Stellen etwas unrund, das wurde durch den zweiten Patch jedoch behoben. Abstürze hatten wir während unserer Spielzeit nie.

Wer Fan der Serie ist, kann hier zugreifen, Tropico 6 ist eine gelungene Erweiterung der Tropico-Reihe. Für tropicanische Frischlinge ist Tropico 6 ein bedenkenloser Einstieg.

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